Österreichisches Ausbildungs- und Kompetenzzentrum für tiergestützte Interventionen
Frühe Geschichte und Entwicklung der TGI
Menschen
haben sich gemeinsam mit Tieren evolutionsgeschichtlich entwickelt, Tiere waren
stets Anregung für die menschliche Entwicklung. Durch dieses landandauernde
Miteinander entstand im Laufe der Evolution das Bedürfnis des Menschen mit
anderen Formen des Lebens in Verbindung zu treten (Biophilie). Menschen haben
das grundlegende Bedürfnis mit Tieren als ihren Mitgeschöpfen in Beziehung
treten, Tiere haben im Laufe der Jahrhunderte ganz verschiedene Rollen im Leben
der Menschen innegehabt, sie waren Jagdobjekte, heilige Objekte, Opfertiere, Jagdhelfer,
Nutztiere, Vertreter der Götter, Arbeitstiere, Begleiter oder Hausgenossen und
vieles andere mehr, doch ihre heilsame Wirkung auf den Menschen wurde lange
Zeit nicht ausreichend erkannt oder gezielt eingesetzt. So kann der Beginn des
therapeutischen Einsatzes von tiergestützten Interventionen leider nicht genau
datiert werden.
Es gibt
aber Hinweise darauf, dass schon sehr früh im antiken Griechenland Reiten bei
Kranken eingesetzt wurde, um ihre Genesung zu beschleunigen (Schriften
Xenophons). Viel später im 9. Jahrhundert sollen auf einer Farm in Belgien (in
Gheel) auch bereits Farmtiere zur Unterstützung bei der Behandlung von
Patienten mit psychischen Beeinträchtigungen eingesetzt worden sein. Die ersten
gut dokumentierten Aufzeichnungen über den Einsatz von Tieren mit einem
annähernd therapeutischen Hintergrund findet man jedoch erst im späten 18.
Jahrhundert, wo in einer von Quäkern gegründeten psychiatrischen Anstalt, dem
“York Retreat” in England, auch Tiere bei der Behandlung der Patienten
eingesetzt wurden. Diese Einrichtung war für diese Zeit als sehr innovativ und
human zu bezeichnen, die Patienten wurden erstmalig respektiert und
wertgeschätzt und durften sich im Rahmen einer Beschäftigungstherapie um Garten
und Tiere (Hasen, Lämmer, Nutzgeflügel) kümmern. In dieser frühen Form des Einsatzes von
tiergestützten Interventionen wurden Tiere vor allem zur Beschäftigung, Ablenkung
und Hebung des menschlichen Wohlbefindens eingesetzt.
Später
hielt auch die berühmte Krankenschwester Florence Nightingale in ihren “Notes
on Nursing” (1860) fest, dass sie kleine Tiere für sehr empfehlenswert für
Patienten halte, als heilsame Begleiter für Kranke, besonders für schwere und
chronische Fälle. Als weiteres Beispiel für den frühen Einsatz von
tiergestützten Interventionen in einem therapeutischen Rahmen kann die 1867
gegründete Heil- und Pflegeanstalt für Menschen mit Epilepsie in Bethel,
Bielefeld, angeführt werden, wo Tiere zur Ablenkung und Freude für die
Patienten eingesetzt wurden.
1947
schließlich wurde in der Nähe von York auf einer Farm ein Internat für
verhaltensauffällige, körperlich und seelisch beeinträchtigte und missbrauchte
Kinder eingerichtet, “Green Chimneys”, wo Kinder in einer Farmumgebung durch
den Umgang mit und die Pflege von Tieren Selbstsicherheit, emotionales
Wohlbefinden und Genesung erfahren konnten. Green Chimneys entwickelte sich zu
einer bis heute sehr erfolgreichen Langzeiteinrichtung.
In den
1960-iger Jahren begann der amerikanische Kinderpsychotherapeut Boris Levinson
erstmalig wissenschaftliche Arbeiten über die Wirkung von Tieren bei der Behandlung
von Kindern mit psychischen Problemen zu schreiben, als er per Zufall den
positiven Einfluss seines Hundes als Eisbrecher bei Sitzungen mit seinen
Patienten entdeckte. Levinson führte den Begriff “pet therapy” für die von
Tieren begleitete Behandlung von Kindern mit psychischen Störungen ein.
In den
1970-iger Jahren verschrieb sich auch das Ehepaar Sam und Elisabeth Corson der
therapeutischen Arbeit mit Tieren und führte in Ohio eine Pilotstudie über die
Wirkung von Hunden bei psychiatrischen Patienten durch. Durch die Arbeit von
Boris Levinson und dem Ehepaar Corson rückten Tiere als therapeutische
Begleiter vermehrt in das wissenschaftliche Bewusstsein. Es folgten daraufhin
Studien und Abhandlungen; die wissenschaftlich basierte Forschung auf dem
Gebiet der tiergestützten Interventionen begann gemeinsam mit dem vermehrten
Einsatz von tiergestützten Interventionen in einem therapeutischen Setting.